Stern im Lebensmeere!
Jedes Menschenkind hienieden gleicht einem Schifflein auf dem sturmbewegten Meere. Wenn es geboren wird, fährt es hinaus auf die hohe See, wo gar viele in den Stürmen des Lebens untersinken und zu Grunde gehen. Nur wenn Maria auf deinem Fahrzeug ist, dich begleitet und beschützt, nur wenn du dein Auge nicht von Maria, dem Meeresstern, abwendest, nur dann wird dein schwaches Schifflein unbeschädigt ans Ziel kommen. Wie schön und wahr sagt der heilige Franz von Sales: "Die seligste Jungfrau ist immer der Polarstern und Sicherheitshafen aller Menschen gewesen, die auf dem Meere dieses armseligen Erdenlebens herumirrten. Alle jene, die zu diesem Sterne hinaufschauen, werden vor den Klippen und Abgründen der Sünde bewahrt bleiben." Aber auch jene, die in die Sünde gefallen sind, finden bei Maria eine liebreiche Mutter, die ihnen hilft, vom Falle aufzustehen, um alles wieder gut zu machen. Denn Maria ist die Ausspenderin der Barmherzigkeit Gottes, die Verwalterin der Gnadenschätze.
Gott hat einen großen Teil der Gnaden an die Verehrung ihrer Bilder geknüpft, das beweisen die Gnadenbilder in der ganzen Welt. Aber auch jedes Marienbild kann für seinen Besucher und Verehrer zu einer Gnadenquelle werden. Einer besonderen Verehrung erfreuen sich die Bilder der Unbefleckten Empfängnis, von der Schmerzhaften Mutte, der Mutter vom Guten Rat, und besonders Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe.
Wie wohlgefällig gerade diese Verehrung der allerseligsten Jungfrau ist, bezeugen die zahllosen Wunder und Gebetserhörungen, die infolge dieser Andacht stattfanden.
Seit der Auffindung des alten, ehrwürdigen Gnadenbildes ergießt sich ein wahrer Gnadenstrom aus den mütterlichen Händen Mariä über alle Völker und Nationen, die sie als Mutter von der Immerwährenden Hilfe anrufen.
Das Gnadenbild
Das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe befindet sich in der Kirche des heiligen Alfons zu Rom. Nach dem Urteile der Kunstkenner soll es aus dem 13. oder 14. Jahrhundert stammen. Herrlich und wunderlieblich auf Goldgrund gemalt, weist es auf einen frommen und ebenso geschickten Künstler hin. Bei seinem Anblick rief Papst Pius IX. aus: "O wie schön, wie schön ist es!"
Auf der Insel Kreta war es schon längst als wundertätig verehrt worden. Da, um die Mitte des 15. Jahrhunderts, da schon die Einfälle der Türken drohten, wurde es von einem Kaufmann entwendet, der es, wohl in gewinnsüchtiger Absicht, nach Rom brachte. Dort angelangt, erkrankte er aber schwer. Dem Tode nahe, übergab er das Bild seinem Freunde und Gastgeber, mit der dringenden Bitte, es in einer Kirche Roms zur öffentlichen Verehrung aufzustellen. Der Freund versprach es ihm, wurde aber von der eigenen Frau an der Ausführung verhindert.
Dreimal erschien ihm Maria im Traume und forderte ihn mit ernsten Worten auf, sein Versprechen zu erfüllen. Vergebens!
Nun erschien ihm Maria zum letztenmal und sprach: "Ich habe dich dreimal ermahnt und dreimal hast du meinen Befehlen widerstanden; damit ich also aus deinem Hause komme, wird es notwendig sein, dass du zuerst hinausgehst." Und so geschah es auch. Der Mann wurde krank und starb bald darauf. Aber auch diese Strafe vermochte den Starrsinn der eigennützigen Witwe nicht zu brechen. Da kam eines Tages ihr kleines, unschuldiges Töchterchen nach Hause mit der Botschaft: "Mutter, Mutter, ich habe soeben eine schöne Frau gesehen, die zu mir gesagt hat: 'Gehe zu deiner Mutter und melde ihr: Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe will in einer Kirche Roms öffentlich erehrt werden.'" -
So viele Zeichen konnte die Witwe nicht mehr widerstehen und überlegte, in welche Kirche sie das Bild bringen sollte: Da erschien Maria nochmals ihrem Töchterchen und sagte: "Zwischen meiner lieben Kirche Santa Maria Maggiore und der meines geliebten Sohnes Sankt Johannes im Lateran will ich aufgestellt und verehrt werden." Daselbst befand sich aber die Kirche des heiligen Matthäus, die damals im Besitze der Augustinermönche war. Am 27. März 1499 wurde das Gnadenbild in feierlicher Prozession in diese Kirche übertragen und dort auf dem Hochaltar aufgestellt.
Hier teilte nun Maria ihre Gaben und Gnaden reichlich aus und wirkte dreihundert Jahre lang viele Wunder, bis die Kirche im Jahre 1798 von der damaligen Revolutionsregierung wegen Straßenbau zerstört wurde. Das Bild wurde aber gerettet und fand in der stillen Hauskapelle eines anderen Augustinerklosters ein verschwiegenes Plätzchen. Doch lange Jahre wusste man in Rom nicht mehr, wohin sich die wundertätige Madonna geflüchtet hatte.
Mittlerweile war ganz in der Nähe der zerstörten Matthäuskirche ein neues Heiligtum erstanden: die Sankt Alfons-Kirche der Redemptoristen. Diesen übergab Papst Pius IX. dann das wiedergefundene Gnadenbild. Am 26. April 1866 wurde es in feierlicher Prozession dorthin übertragen. Am Abend des 3. Mai erschien der Heilige Vater unerwartet in der Redemptoristenkirche, um das Gnadenbild zu verehren. Wie viele Tausende von Rompilgern sind seither seinem Beispiel gefolgt!
Alsbald zeigte sich Maria als die liebreiche Mutter und Gnadenspenderin. Es geschahen Wunder auf Wunder. Da beschloss das Vatikanische Kapitel, das Bild mit einer goldenen Krone zu schmücken. Dies geschah am 23. Juni 1867.
Wir wallen zur Mutter der Gnade!
"Machet sie bekannt!" hatte Pius IX. gesagt, als er den Redemptoristen das Bild von der Immerwährenden Hilfe übergab. Das haben sie seither nach Kräften getan. Maria selbst hat sie hierin durch die zahllosen Wunder und Gebetserhörungen unterstützt. In Tausenden von Kirchen finden sich Abbildungen des Gnadenbildes, die sich in vielen Fällen ebenfalls als wundertätige erwiesen haben. Millionen kleiner Andachtsbildchen werden ständig über die ganze Welt verteilt. Tausende von frommen Verehrern suchen und finden täglich Trost und Hilfe bei der Mutter von der Immerwährenden Hilfe.
Die "Erzbruderschaft" U. L. Frau von der Immerwährenden Hilfe hat sich schon längst über alle Weltteile verbreitet und ist von den Päpsten mit vielen Ablässen bereichert worden. Es genügt, seinen Namen eintragen zu lassen. Die "Gebetswache" als Neubelebung derselben ist das organisierte Bittgebet einer ganzen Pfarrei zu Maria von der Immerwährenden Hilfe. Sie hat sich als Segensquelle für Seelsorger und Gläubige erwiesen.
Maria hilft immer!
Von allen Titeln, unter denen die Gläubigen Maria anrufen, ist ohne Zweifel "Mutter von der Immerwährenden Hilfe" der schönste und trostreichste. Maria hat diesen Titel selbst gewählt, damit wir in allen Bedrängnissen zu ihr unsere Zuflucht nehmen. Er zeigt uns die unbegrenzte Macht und Barmherzigkeit, von der ihr zärtliches Herz überströmt, so dass es weder eine Zeit, einen Ort, noch eine Not gibt, in der diese gute Mutter uns nicht zu Hilfe kommt, wenn wir sie mit Vertrauen anrufen. Darum hat auch diese Andacht so schnelle Verbreitung gefunden.
In der Tat, wenn sie ein einziges Mal ihre Hilfe versagte, dann wäre sie nicht mehr immerwährend. Sie muss helfen, wenn wir sie darum bitten, obgleich wir wegen unserer Fehler und Sünden ihre Hilfe nicht verdienen. Je armseliger wir sind, desto schneller ist sie zur Hilfe bereit.
Du wirst vielleicht sagen: Ich habe Maria schon oft angerufen, z. B. bei jenem Leiden, in jener Lage, und sie hat mir doch nicht geholfen. Bedenke wohl, Maria, die immer geneigt ist, dein Gebet zu erhören, verpflichtet sich nicht, dir gerade das zu geben, um was du bittest, sondern vielmehr das, was dir notwendig und heilsam ist.
Gehen wir deshalb immer mit einem unerschütterlichen Vertrauen zu Maria, und auch wir werden ihre Hilfe erfahren.
Maria, die Zuflucht der Sünder
Wie Maria einer Heiligen geoffenbart hat, macht es ihr Freude, Zuflucht der Sünder genannt zu werden. "Wenn sich ein Sünder an mich wendet", sagte sie, "sehe ich weder auf die Zahl, noch auf die Größe seiner Sünden, sondern nur auf das Gebet, das aus seinem Herzen zu mir emporsteigt." Sie hat die Macht, eine dem ewigen Tode anheimgefallene Seele wieder zum Stande der Gnade zu erwecken. Bei allen Bekehrungen reicht Maria dem Sünder die Hand.
In einer Stadt Belgiens verfiel im November 1871 ein Freimaurer in eine schwere Krankheit. Die Ärzte gaben die Hoffnung auf, und ebenso musste man an der Rettung seiner Seele zweifeln; denn so oft der Kranke an eine christliche Vorbereitung zum Tode ermahnt wurde, befahl er, das ihm lästige Gespräch abzubrechen. Als dies einige fromme Frauen erfuhren, beschlossen sie, zu Maria ihre Zuflucht zu nehmen, die immerwährend allen zu Hilfe kommt. Sie ließen ein Bild Mariä von der Immerwährenden Hilfe unter das Kissen des Kranken legen und begannen zugleich eine neuntägige Andacht zu ihr. Da nach Ablauf der neun Tage der Kranke immer noch in seiner Verstocktheit verharrte, fingen sie eine zweite Novene an. Aber auch die zweite vermochte nicht, das Herz des verstockten Sünders zu erweichen; denn es ist schwer, in den Banden einer geheimen Gesellschaft verstrickt, die todbringenden Fesseln zu sprengen. Gegen Ende der dritten Novene verlangte der Kranke selbst einen Priester und beichtete mit großer Reue seine Sünden. Und nachdem er alles geleistet hatte, was die heilige katholische Kirche von den Mitgliedern der Freimaurerei verlangt, verschied er auf christliche Weise aus diesem Leben.
So lohnte in diesem Falle Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe das beharrliche, vertrauensvolle Gebet.
Aus: Marianus, Maria die Mutter von der Immerwährenden Hilfe - Ein Hoffnungsstern auf dem Meere dieses Lebens. - Kanisius-Verlag, 13. Auflage, Nihil obstat: Julius Desfossez, librorum censor. Imprimatur: Friburgi Helv., die 2 januarii 1950 L. Waeber, vic. gen.
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