Die Einwohner waren reformiert und 50 Jahre früher von der östlichen Orthodoxreligion zu dem unierten Glauben übergetretene Griechisch-Katholiken. Die alte, aus dem 14. Jahrhundert stammende, ehemalige Kirche im gotischen Stil war in dieser Zeit protestantisches Gotteshaus. Die Griechisch-Katholiken, gleichfalls Magyaren, hatten eine mit vielen Türmen versehene, charakteristisch-orientalische Kirche aus Holz gebaut.
Der Pfarrer, oder der Parochus – wie der Seelsorger in der griechisch-katholischen Pfarrgemeinde benannt wurde – Daniel Papp, stammte aus einer geistlichen Familie und war selbst auch verheiratet. In der griechisch-katholischen Religion konnte er eine Ehe schließen. Der jüngere Bruder des Pfarrers war der in Pócs geborene Stefan Papp, der im Jahre 1675 in sein Dorf zurückkehrte und in der Haushaltung des Pfarrers lebte. Er war Maler.
Das Gotteshaus konnten die Gläubigen nicht vollständig einrichten; auf der Ikonostase mangelte das Bild der hl. Gottesmutter. Ladislaus Csigri, ein 20jähriger Sohn eines Bauern, der als 8jähriger Knabe in türkische Gefangenschaft geraten war, aber auf wunderbare Weise gerettet wurde, hat seiner inneren Stimme folgend, dem Maler Papp den Auftrag gegeben, daß er ein Bild der hl. Gottesmutter male. Papp übernahm den Auftrag für sechs ungarische Gulden. Das Bild malte er – nach der Ikonenmalerschule – auf getrocknetes, dünn gehobeltes Holz, benützte aber kein Musterbild. (Die Österreicher setzen den Vorgang auf das Jahr 1676 an.) Die Eltern des jungen Csigri wollten den Kaufpreis für das Bild nicht bezahlen, weil ihr Sohn die Bestellung ohne Anfrage und Bewilligung machte, worauf Laurenz Hurta, ein wohlhabender Landwirt in Pócs den Kaufpreis bezahlte und das Bild der Kirche schenkte.
Das Marienbild wurde nach der Segnung des Parochus auf die Ikonostase gestellt; die Gläubigen beteten vor dem Bild. Es ereigneten sich aber keine nennenswerten Geschehnisse.
Am 4. November im Jahre 1696 hat der Parochus in der griechisch-katholischen Kirche in Pócs die sonntägliche Messe nach der Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus – altslawisch – gehalten; die Gläubigen beteten und sangen altslawische und ungarische Gebete und Meßlieder.
Nach der Wandlung fiel der Blick des Bauern Michael Eöry auf das Bild der Gottesmutter, an dem ein sonderbarer Glanz erschien, und er bemerkte erstaunt, daß von den Augen der Muttergottes helle Tränen herunterfielen, und zwar aus dem rechten Auge mehr als aus dem linken. Die Tränen fielen auf die Hand der hl. Jungfrau; deren Antlitz wurde fortwährend schmerzlicher, wie wenn es lebendig aus Fleisch und Blut gewesen wäre.
Eöry wollte den Gottesdienst nicht stören, aber er berührte den Arm des neben ihm sitzenden Johann Molnár, um diesen auf das Bild aufmerksam zu machen. Molnár beobachtete dasselbe mit Rührung, sah, daß die Mutter Gottes weinte, und er selbst brach auch in Tränen aus. Molnár gab seine Beobachtung nachher weiter, aber seine Zunge wurde vom Erlebnis des Tränenwunders fast gelähmt.
Wie ein vom Blitz entfachtes Feuer verbreiteten sich Verwunderung, Aufregung und Staunen. Alle Gläubigen beobachteten gerührt das Antlitz der Gottesmutter. Bei der Kommunion nahmen die Gläubigen mit tränenvollen Augen den Heiland zu sich. Der Parochus bemerkte die sonderbare Aufregung, aber den Grund der Erregung konnte er nicht kennen. Im Klang seiner Stimme war eine eigene Aufregung erkenntlich.
Am Ende der heiligen Messe schickte sich niemand zum Gehen an, ja, die Hintenstehenden drängten sich nach vorn, das Bild, das Antlitz der hl. Jungfrau betrachtend, dem noch immer Tränen aus den Augen fielen.
Beim Hinausgehen schaute der Parochus auf seine Gläubigen, hörte ihre Seufzer und folgte ihren Blicken. Der Parochus sah, daß die hl. Jungfrau Mutter Maria blutige Tränen weinte. Die Tränen fielen auf die Hand des Bildes nieder, bald auf die Hülle, welche das Bild bekleidete, wo die Tränen Spuren hinterließen. Die Gläubigen beteten laut, bereuten ihre Sünden; niemand bewegte sich. Die Tränen fielen fortwährend.
Endlich begann der Parochus zu sprechen, da sie alle das Tränenwunder sahen. Aber die Ursache des Geheimnisses konnte man nicht ausforschen. Die Güte des Himmels sei unermeßlich, betonte er. Er forderte seine Gläubigen zum Gehen auf. Hierauf verließen diese die Kirche, indem sie Loblieder zur Ehren Marias sangen.
Wenn auch kein Telefon und Telegraf war, verbreitete sich das Erlebte doch mit Windeseile. An der Vesper nachmittags nahmen nicht nur die Einwohner von Pócs teil. Zwei kaiserliche Offiziere aus Kálló erschienen. Der eine war ein Protestant, Bertrand de Willingsicusen – ein Ungläubiger –, der den Parochus verdächtigte, daß er den Tränenfluß verursacht habe; der andere Starmair Proviantoffizier. Beide Offiziere berührten die heruntergefallenen Tränen und ihre Finger wurden von den blutigen Tränen naß. De Willingsicusen betrachtete das Bild. Es wurde bald schwarz, als ob es ein dichter Nebel gedeckt hätte, bald glühend rot, ganz verändert, nachher farblos. Der Offizier war betroffen. Seine Kehle schnürte sich zusammen, bald schrie er laut auf: Es ist wahrlich ein Wunder, wahrlich echte Tränen, verzeihe mir, Gott, meinen Zweifel.
Tags darauf (am 5. Nov.) fuhr Jacob Kriegsmann, provisorischer römisch-katholischer Pfarrer von Kálló und Pócs, sehr früh weg aus Kálló, um in Pócs erster zu sein. Aber vor der Kirche wartete schon eine große Menge. In Kálló war das Wunder allgemein bekannt. Dort waren schon Graf Stempild, kaiserlicher Oberleutnant, Christoph Redlinsky, Jesuit, Georg Walter, beide Regimentskapläne, fünf andere kaiserliche Offiziere und manche von den Herren des Komitates. Alle sahen das Wunder. Pfarrer Kriegsmann hob ein sterbendes Kind zum Bild auf und dieses berührte das Bild. Der Knabe wurde geheilt. Tags darauf legte die Mutter, Gattin eines kaiserlichen Offiziers, einen mit Edelsteinen versehenen wertvollen Halsschmuck vor das Bild
der hl. Jungfrau. An diesem Tage stellte der Militärbefehlshaber in Kálló eine militärische Wache auf, die Tag und Nacht das Bild bewachte, damit es von niemand angerührt werde.
Die Kirche blieb auch später überfüllt von Betern. Soldaten kamen gruppenweise aus Kálló, Ecsed und anderen Ortschaften. Aus Pócs erschienen die protestantische Judith Geressy, Gattin Franz Baan's; die adeligen Georg Ballabás, Gemeindenotar; Johann Tisza, Grundbesitzer, und Peter Farkas. Alle sahen das Tränenvergießen; die manchmal blutigen Tränentropfen fielen bald auf die Hand der hl. Jungfrau Maria, bald auf die Decke herab. Die Besucher berührten die Tränen und waren tief ergriffen. Das Wunder bestärkte die Gläubigen, die Zweifler verstummten, auch sie wurden von der Wahrheit überzeugt.
Jacob Kriegsmann, römisch-katholischer Pfarrer, blieb bis 16. November in Pócs. Dann kehrte er nach Kálló zurück, schrieb eine Meldung an den Erzbischof, Graf Leopold Kollonics, daß er das Wunder sechsmal gesehen und die Decke berührt habe, auf welcher die Spuren der blutigen Tränen vorhanden waren. Das Wunder geschah am 4. November in der Gemeinde "Pooc", in dem Besitztum Rákóczi, wo "ich nach Anordnung Seiner Exzellenz der ärmste Parochus von etwa 20 der ärmsten katholischen Familien bin". Im Briefe meldete der Pfarrer, daß das Bild von Stefan Papp 20 Jahre früher gemalt wurde. Er bat den Erzbischof, daß er das Bild aus der Holzkirche nehmen und in Kálló unterbringen möge.
Gemäß den Angaben hielt das Tränenvergießen vom 4. November bis 8. Dezember in drei Perioden an. Neben einigen kleinen Drucksachen erschien das erste Buch "Abgetrocknete Tränen", welches die Ereignisse ausführlich schilderte. Nach dieser Quelle wurde das Werk: "Heylsamer Gnaden-Brunn, Wien 1703" und ein mit Vorwort von Joseph Ogesser herausgegebenes Buch: "Beschreibung der Metropolitankirche zu St. Stephan in Wien, 1779" erschienen. Das letzte Werk schilderte die Zeit folglich: "Dieses wunderwürdige Weinen dauerte drei Tage und Nächte hindurch, setzte hernach Mittwoch und Donnerstag, als den siebten und achten Tag dieses Monats aus, worauf es am neunten Tag wieder anfing und bis zum vierzehnten anhielt, an welchem Tage man nur eine Träne sah. Hierauf unterblieb dieses Weinen durch elf Tage, nach welchen es aber wieder angefangen, und ... bis zum 8. Dezember, dem Festtag der Unbefleckten Empfängnis Maria, fortgedauert hat."
Das wunderbare Tränenvergießen war einigen Protestanten unbehaglich, und sie verbreiteten das Gerücht, daß ein Schwindel vorliege. Man sagte: jemand habe das Holz durchbohrt, hinten sei ein Wasserbehälter mit Fischen und von der Bewegung der Fische sollten die Tränen in die Augen des Bildes treten.
Solches Gerede hielt niemand für ernst, der in der Kirche von Pócs war. Das Bild war nicht am Altar befestigt, wo man den hinteren Teil nicht hätte sehen können, sondern an der Ikonostase, deren Rückseite auch sichtbar ist.
Eine klare Widerlegung gab dann die Geschichte des letzten Tages.
Wie es erwähnt wurde, war Ungarn damals von kaiserlichen Truppen besetzt. Der Oberteil der Theiß – dies- und jenseits – hatte eine Kommandatur. Der Kommandant war Graf Johann Andreas Corbelli, Feldmarschalleutnant. Er ging aus Tokaj zur Truppenbesichtigung nach Kálló. Der wunderbare Tränenfluß wurde dem Kommandanten schon früher gemeldet und dieser wollte sich selbst überzeugen. Am 8. Dezember, bei ungewöhnlich kaltem Wetter, ritt Corbelli mit Christoph Neidfinger, dem Kommandanten der Truppe in Kálló, und glanzvoller militärischer Begleitung nach Pócs. Er ging mit seiner Begleitung gleich in die Kirche. Alle sahen, daß die Tränen aus beiden Augen der hl. Jungfrau Maria reichlich, warm, frisch herunterfielen, obwohl es auch in der Kirche so kalt war, daß alle Flüssigkeit gefror. Der General hörte, daß jemand hinter ihm sagte: "Das ist nicht möglich; Tränen können nur Menschen aus Fleisch und Blut weinen." Der General drehte sich nicht, aber nach der Besprechung mit dem Parochus, ließ er das Bild von der Ikonostase herunterheben. Corbelli nahm das Bild in die Hände, drehte es auf die andere Seite, in Anwesenheit von mehr als 300 Personen, worunter nicht wenige protestantischer Konfession waren. Er hat nach der genauestens unternommenen Untersuchung nicht die mindeste Spur eines Betrugs entdeckt. Alle Anwesenden konnten sehen, daß das Bild auf ein Holzbrett gemalt war. Am Holz waren keine Risse, Öffnungen oder Löcher. Das Bild weinte auch in dieser Zeit weiter, und zwar reichlicher als vorher. Der General schaute das Bild voll Rührung an. Das Herz des Zweiflers wurde mit Reue erfüllt.
Das Bild wurde nach dieser gründlichen Untersuchung auf die Ikonostase zurückversetzt. Der General erklärte feierlich: "Ja, das sind wahrhaftige Tränen, ein wahrhaftiges Wunder", worauf dies die anderen Offiziere wiederholten und auf die Knie fielen. Der Parochus erwähnte dem General, daß es nie vorgekommen sei, daß der Wein in dem Kelche gefroren wäre wie diesmal; er wärmte den Kelch mit den Händen, um den Wein flüssig zu machen. Der General erwiderte gerührt: "Nur diese Tränen gefroren nicht. Ich bin bereit, vor jedem Gericht ein Zeugnis darüber abzulegen."
Bischöfliche Untersuchung
Die griechisch-katholische Pfarrei in Pócs gehörte in dieser Zeit unter die Jurisdiktion des römisch-katholischen Bistums von Eger. Darum ordnete der Bischof von Eger, Georg Fenesy, die kirchliche Untersuchung an und nicht der griechisch-katholische Bischof von Munkócs. Fenesy bestimmte Andreas Pettes, Bischof von Ansara, Großprobst des Bistums, als seinen Stellvertreter, die Untersuchung vorzunehmen. Der Bischof Pettes hat Kanonikus Josef Csete von Eger, Erzdechant des Komitats Szabolcs, und als Notar Andreas Demjányi, Pfarrer von Tokaj, delegiert, um die Zeugnisverhöre vorzunehmen.
Die Zeugnisverhöre wurden am 26. Dezember in Pócs begonnen und tags darauf fortgesetzt. Die bischöfliche Kommission verhörte 36 Zeugen, katholische und protestantische Bewohner von Pócs, den römisch-katholischen Pfarrer in Kálló, den Parochus in Pócs, katholische und protestantische kaiserliche Offiziere. Auf gleiche Weise sagten diese alle aus, daß sie das Tränenvergießen gesehen hatten, die Tränen seien oftmals blutig gewesen, sie seien auf eine Decke gefallen, wo eine Spur geblieben sei. Sie sahen, daß das Antlitz und die Augen des Bildes sich veränderten, auch sahen sie bei der Untersuchung durch General Corbelli, daß die Tränen noch reichlicher fielen. Die Zeugen leisteten einen Eid auf ihre Aussage.
Graf Corbelli sandte seine eigenhändig niedergeschriebene Aussage an den Bischof von Eger und erstattete dem Kaiser einen Bericht vom Wunder. Einige Zeugen kamen später an; etliche Offiziere waren inzwischen anderswohin versetzt worden. Die Kommission verhörte diese Zeugen nicht, aber andere Zeugen konnten von ihrer Beobachtung auch Bericht erstatten.
Bischof Andreas Pettes, bischöflicher Stellvertreter, faßte die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und erklärte vor dem Kapitel am 2. Januar 1697, daß in dem Komitat Szabolcs, in der ruthenisch-liturgischen Kirche von Pócs mehrere Tage lang reichliche heilige Tränen aus den Augen Marias gefallen seien. Dieses Resultat wurde in der Anwesenheit des Bischofs Fenesy und der Mitglieder des Domkapitels durch Bischof Pettes veröffentlicht, worauf der Diözesanbischof Fenesy erklärte: Vere miraculum factum est (Wahrlich ist ein Wunder geschehen), und die Sitzung des Domkapitels schloß mit dem Gesang des Hymnus: Te Deum laudamus.
Überführung des Gnadenbildes nach Wien, dortige Feierlichkeiten
Leopold, Kaiser des deutsch-römischen Reiches und apostolischer König Ungarns, und seine Gattin Eleonora, vernahmen von dem Wunder des Marienbildes durch den General Corbelli und den Oberleutnant Graf Stempild, der die blutige, tränenbenetzte Decke ohne Erlaubnis des Parochus nach Wien mitgebracht hatte, um seine Braut von ihrer Krankheit zu heilen. Er schenkte die Decke mit den Spuren der blutigen Tränen dem kaiserlichen Ehepaar.
Der Kaiser ordnete, hauptsächlich auf den Wunsch seiner Gattin und auf den Rat des auch in der Schweiz bekannten Paters Marco d'Aviano, die Überführung des Wunderbildes nach Wien an. Zur Ausführung seines Befehls berief er den Bischof von Eger. Der Bischof, Georg Fenesy, gehorchte dem kaiserlichen Befehl und beauftragte Graf Emmerich Csáky, den Domherrn von Eger, Abt von Tapolca und Pfarrer der Stadt Kassa, daß er das Gnadenbild nach Wien bringen solle. Der junge Graf ging Ende Februar 1697 mit Pfarrer Demjányi und glänzendem Gefolge und mit militärischer Sperrkette nach Pócs. Der Graf wurde vom Parochus, Daniel Papp, begrüßt, aber die Stimme versagte ihm, worauf der Graf den alten, am ganzen Körper zitternden Pfarrer umarmte. Graf Csáky teilte den Anwesenden mit, daß er dem Befehl des Kaisers zu gehorchen habe und den Auftrag seines Bischofes ausführen müsse. Die Gläubigen, die durch die ganze Nacht gebetet hatten, und von anderswo gekommene Leute murrten. Einige wollten das Forttragen des Bildes verhindern, so auch Ladislaus Csigri, der in dieser Zeit Dorfrichter war.
Der Parochus bat seine Gläubigen, daß sie sich nicht widersetzen sollen. Sie könnten die Ausführung des kaiserlichen Befehls nicht verhindern. Dann trugen vier Priester das Bild aus der Kirche. Das Volk schluchzte, küßte das Bild, welches nachher auf einen Triumphwagen gesetzt wurde. Der Parochus begleitete mit seinen Gläubigen das Bild bis zur Grenze des Dorfes, nachher gingen sie nach Hause.
Die ersten Stationen des Bildes waren Kálló, Tokaj, Barca, Kassa und Eger. Unterwegs mußte die Begleitung stehen bleiben, um die Gläubigen vor dem Bild huldigen zu lassen. In Eger empfing Bischof Fenesy mit seinem bischöflichen Hof das Bild; von Eger ging der Zug nach Pest und Buda. Die ganze Fahrt war ein Triumphzug, unterwegs geschahen mehrere Wunder.
Von Buda ging der Zug nach Wien. Am 3. Juli 1697 erreichten die Begleiter die Stadt, wohin sie tags darauf einzogen. Der Fürsterzbischof ging vom St. Stephansdom in einer Prozession vor dem Bild, und dieses wurde durch die mit Fahnen und Blumen geschmückten Gassen in die neben dem kaiserlichen Hof liegende Kapelle des Lustschlosses Favorita (jetzt Theresianum) gebracht, wo der Kaiser und die Kaiserin dem Bild huldigten. Aus der Lustschloßkapelle wurde das Bild am 7. Juli in die Augustiner Kirche begleitet, wo die Kaiserin es mit einer diamantenen Rose schmückte und "Rosa mystica" nannte. In der Augustiner Kirche hielt der berühmte Kanzelredner Abraham a Sancta Clara eine mächtige Predigt vor riesiger Volksmenge. "Hierauf wurde das Bild – laut Beschreibung der Metropolitankirche – bei einer sehr volksreichen Prozession, unter Begleitung der gesamten Klerisei, der kaiserlichen Majestäten und der durchlauchtesten jungen Herrschaft nach St. Stephan übertragen und dort auf einem neben der Schatzkammer errichteten Altar zur öffentlichen Verehrung aufgestellt, wobei der ganze kaiserliche Hof die heilige Kommunion empfing, und hierauf eine Predigt und ein Hochamt gehalten wurde. Nachdem es 14 Tage in der Domkirche verblieben, wurde es wieder in die Favorita übertragen. Weil aber alle geistlichen Gemeinden ein inbrünstiges Verlangen äußerten, dieses Gnadenbild in ihren Kirchen verehren zu können, wurde es mit allerhöchster Bewilligung in den meisten hiesigen Kirchen, sowohl in als vor der Stadt, überall für kürzere oder längere Zeit zur öffentlichen Verehrung aufgestellt, wo man die Gotteshäuser zierte und den Gottesdienst mit sinnreichen Predigten, prächtigen Hochämtern, Vespern und Litaneien zu verschönern suchte, bis es endlich aus der Pfarrkirche von St. Ulrich unter Begleitung der ganzen Klerisei und vieler Bruderschaften wieder in die Domkirche übertragen wurde."
Um diese Zeit zählte man den 1. Dezember; also fünf Monate lang war Wien der Ort des
öffentlichen Gebetes, der Verehrung und der Feierlichkeiten.
Am 11. September 1697 war auch eine feierliche, flehentliche Andacht in Wien. An diesem Tage errang Prinz Eugen bei Zenta einen Sieg. Er vernichtete das türkische Heer. Dieser Sieg wurde der Hilfe der Gottesmutter von Pócs zugeschrieben. Das war auch die Meinung des berühmten Abraham a Sancta Clara. Die Leute betrachteten damals und auch später die hl. Jungfrau Maria von Pócs als Schützerin Wiens.
Das Gnadenbild wurde am 1. Dezember endgültig über dem Tabernakel des Hochaltars der Domkirche aufgestellt. Kaiserin Eleonora ließ das Bild mit einem kostbaren Rahmen und zwei mit Diamanten geschmückten Goldkronen zieren.
Vor dem Gnadenbild der Gottesmutter wurde alltäglich eine vom Wiener Magistrat gestiftete heilige Messe gelesen, und zwar in der Form eines Hochamtes. Kaiser Josef II. (1780-1790) – der sich in die inneren kirchlichen Angelegenheiten einmischte – stellte diese ständige Messe ein und entfernte auch die vielen Rahmen.
Die Verehrung der Gottesmutter hielt aber weiter an. Mit barocker Feierlichkeit beging Wien 1797 die Hundertjahrfeier der Übertragung des Bildes. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden jährlich heilige Messen vor dem Gnadenbild zelebriert. Ämter aber nur zweimal: am 7. Juli, Tag an dem das Gnadenbild in den St. Stephansdom zum erstenmal getragen wurde, und zwar am Sonntag nach dem Feste Mariä Heimsuchung; ferner am Sonntag nach dem 4. November, Tag an dem sich das Tränenwunder erstmals zeigte. Auch heute feiert das Wiener Domkapitel diese sogenannten "Maria-Pötsch-Ämter" weiter.
Geschichte des Gnadenbildes in Wien
Das Gnadenbild von Pócs (70 x 50 cm) ist ein mit Temperafarbe auf Holz gemaltes Brustbild der hl. Gottesmutter, die das Gotteskind auf der Linken hält. Das Kind segnet mit der Rechten und hält in der Linken eine Blume. Maria trägt einen Purpurmantel, das Kindlein Jesu griechische Kleidung. "Kunsthistorisch wird diese Darstellungsweise von byzantinischen Ikonentypus der Hodegetria abgeleitet. Genau genommen besteht das Tafelbild aus zwei, mit Hilfe von Keilen, zusammengehaltenen Eichentafeln. Längs der Mittelkanten der beiden Holztafeln, klafft zur Zeit (1961) durch das ganze Bild gehend ein Spalt mitten durch den linken Augenwinkel der Muttergottes.
Am unteren Rand des Bildes stehen mit ungelenken Buchstaben der cyrillischen Schrift, gegen Ende unleserlich werdend und sich verlierend, die Worte: "Ich habe dieses heilige Bild aufgestellt zur Verzeihung meiner Schulden..."... Schon allein der Umstand, daß es sich um die Nachbildung eines altchristlichen Marienbildes handelt, ist bezeichnend für den Geist der Gegenreformation. Damals griff man in der Auseinandersetzung mit dem Lutheranertum bei der Verteidigung des Marienkultes mit Vorliebe auf älteste Mariendarstellungen zurück, um so die Verankerung der Muttergottesverehrung in der katholischen Tradition wirksamer in Erscheinung treten zu lassen. Das berühmteste, dem hl. Lukas zugeschriebene Madonnenbild, besaß eine Kirche im Reiseführerviertel zu Konstantinopel. Daher sein Name "Hodegetria = Wegweiserin" ... Es zeigt die Muttergottes ähnlich dem Pötschbild von St. Stephan im halbfiguren Hodegetriatypus, wie er seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im ganzen Abendland Verbreitung gefunden hat."
Die Stellung dieses Bildes auf dem Hochaltar war aber für die Gläubigen schon in der früheren Zeit nicht geeignet. Sie konnten nicht in die Nähe des Gnadenbildes treten.
In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde deshalb eine dem Maler Leopold Kuppelwieser zugeschriebene Kopie aus der Nazarenerschule am ersten linken Pfeiler beim Eingang im Stephansdom aufgestellt. Diese künsterlische Kopie milderte die Härte des Originalbildes und erfreute sich beim Volke einer viel größeren Beliebtheit als das Original und wurde daher mehr verehrt. Vor diesem Bilde brannten ständig Kerzen, und es beteten unentwegt Menschen. Diese gaben dem Innenbild der Domkirche einen charakteristischen Zug. Das Originalbild ist somit einigermaßen in den Hintergrund geraten. Auch die neueren Andachtsbilder wurden von diesem Abbild kopiert und verbreitet.
Das Originalbild, ebenso die Kopie sind im Laufe der Zeit mit vielen Votivgaben geschmückt worden. Die von Kaiserin Eleonora geschenkten zwei Goldkronen blieben weiter auf dem Original. Diese goldenen Kronen und sämtliche Schmuckstücke, im Werte von 20'000 Goldkronen, wurden in der Nacht vom 18. auf den 19. März 1903 von dem Originalbilde gestohlen. Von den Übeltätern ließ sich keiner mehr ausfindig machen. "Aus Sicherheitsgründen wollte man seither das Originalbild nur mehr an den höchsten Feiertagen des Kirchenjahres über dem Hochaltar des Stephansdomes aufstellen. Während der gewöhnlichen Kirchenzeit behalf man sich auch dort mit einer schlechten Kopie."
Ein noch schwerer Fall ereignete sich mit der vorerwähnten Kopie.
Am 11.-13. April 1945 trafen Bombenangriffe den Stephansdom, welche auch den Einsturz der Chorgewölbe verursachten. Das glühende Feuer vernichtete einen Teil der Kirche, besonders den Hochaltar. Die unversehrt gebliebene Kopie wurde wegen der Renovation am 13. Oktober 1946 in die Kirche am Hof (damals Jesuitenkirche) feierlich übertragen. Rund 10'000 Gläubige, dabei Erzbischof Kardinal Innitzer, begleiteten das Bild "der Schutzfrau von Wien". Wenige Tage nach der Übertragung, in der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober, wurde diese Kopie mit den Kostbarkeiten und dem 40kg schweren, ornamentierten Silberrahmen gestohlen. Von den Dieben und dem Marienbild fehlt bis heute jede Spur. Außer dem künstlerischen und kulturhistorischen Werte stellte der Silberrahmen einen entsprechenden Materialwert dar. Die Edelsteine an diesem Bild waren nicht echt und die Kronen nur dünnes vergoldetes Silberblech.
Da die Kopie durch Diebstahl verloren war, interessierte sich die Öffentlichkeit für den Ort des Originals. Anläßlich der Entwendung der Kopie teilte die Wiener Zeitung (am 18. und 24. Oktober 1946) beruhigend mit: Das Original befindet sich nach wie vor in sicherer Obhut im Fürstbischöflichen Palais. Das Gnadenbild war also in der Zeit des Bombenangriffes nicht auf dem Hauptaltar, der bei dem Bombenangriff zugrunde gegangen war.
Seit 8. Dezember 1948, dem Jahr der Wiedereröffnung des Langhauses, wird das Originalbild – nunmehr aber völlig schmucklos – im alten Silberrahmen vom Jahre 1697 mit dem Strahlenkranz unter dem Baldachin in der südwestlichen Ecke des Domes verehrt, wo es über einem eigens errichteten Marmoraltar aufgestellt ist. Auch heute finden sich zahlreiche Andächtige vor dem Gnadenbild von Pócs ein.
Die Geschichte des Gnadenbildes nahm mit diesem Ereignis kein Ende.
Abbildung von Pócs; Bau und Rangerhöhung der Wallfahrskirche
Nach dem Transport des Gnadenbildes nach Wien waren die Einwohner von Pócs traurig. Sie wollten eben das fortgeschleppte Bild für sich behalten. Der Parochus schrieb ein Gesuch an den Kaiser, daß die Einwohner von Pócs das Bild für die Kirche zurückbekommen möchten, was ihm der Kaiser übel nahm. Doch richtete dieser einen Erlaß an den Bischof von Eger, in dem er versprach, ein Abbild des nach Wien gebrachten Gnadenbildes nach Pócs zu versenden. Dieses Abbild kam jedoch nie nach Pócs.
Pócs bekam ein dem Originalbilde gleiches Abbild erst im Jahre 1707. Es ließ der damalige Bischof von Eger, Stephan Telekesy in Wien, auf seine eigenen Kosten das Bild malen und sandte es nach Pócs für die griechisch-katholische Kirche.
Dieses Gnadenbild befindet sich seit 1946 in der Basilika von Máriapócs auf einem "goldenen" Altar. Es wurde mit zwei Kronen geschmückt und mit einem Prachtsgewand bekleidet. Jetzt kann man nur das Antlitz der hl. Jungfrau Maria und des Jesuskindes sehen.
Für die Holzkirche in Máriapócs wurde es von Tag zu Tag schwieriger, die von weither nach Pócs fahrenden Pilger aufzunehmen. Georg Gennadius Bizanczy, griechisch-katholischer Bischof, apostolischer Vikar, fing 1731 den Bau der mächtigen, mit zwei großen und drei kleinen Türmen versehenen Wallfahrtskirche an. Erst sein dritter Nachfolger, Manuel Olsavlszki, konnte den Bau vollenden (1756). Er vertraute die Seelsorge den Basilianern an, die seitdem eine gesegnete Tätigkeit ausübten. Der Orden wurde von der kommunistischen Regierung 1950 aufgelöst.
Eine wesentliche Änderung vollzog sich in der Geschichte der Wallfahrtskirche im Jahre 1946.
Anläßlich des 250jährigen Jubiläums des ersten Tränenvergießens und des 300. Jahrestages der Vereinigung der römisch-katholischen Kirche mit den orthodoxen Gläubigen, hat Papst Pius XII. die Kirche von Máriapócs mit dem Titel und der Würde "Basilica minor" ausgezeichnet. Er tat dies auf das Gesuch des Provinzials des Mönchsordens des hl. Basilius – mit der Unterstützung des Erzbischofs von Esztergom und Metropoliten der griechisch-katholischen Gläubigen, Kardinal Mindszenty, ferner des griechisch-katholischen Bischofs von Jajdudorog, Nicolaus Dudás.
Der Rang einer Basilica minor war ursprünglich das Privileg der neun Kirchen Roms, später bekamen auch bedeutsame Wallfahrtskirchen diesen Titel, welcher mit einigen Sonderrechten verbunden ist.
Die Wallfahrtskirche in Pócs ist dem Erzengel St. Michael geweiht, aber der Kirchweihtag ist am 8. September, dem Geburtstag der hl. Jungfrau Maria. An diesem Tage wallfahren die Pilger von weiten Gegenden nach Máriapócs.
Apostolischer Brief; weitere Tränenwunder
Die oben erwähnte Auszeichnung Papst Pius' XII. – nämlich die Erhebung der Kirche von
Máriapócs in den Rang einer Basilica minor – geschah in der Zeit, da die "Staatsmänner" der USA, Englands und Rußlands in Teheran und Yalta (vier Jahre früher) ein Übereinkommen geschlossen hatten. Darin lieferten sie Ungarn, das mehr als 1000jährige christliche Land, ohne Befragen der Bevölkerung, ja sogar gegen den Willen der Nation, dem kommunistischen Staat Rußland aus. Sie verschenkten nicht eigenes Land und Volk, sondern eine freie, unabhängige, nicht ihnen gehörende Nation.
Der apostolische Brief vom 25. März 1948 hob in der Einleitung die Verdienste des ersten ungarischen Königs St. Stefan hervor, der den katholischen Glauben ausbreitete und die Gottesmutter zur Patronin Ungarns wählte.
Der Papst erklärte, daß das auf Holz gemalte Bild der hl. Jungfrau Maria in Pócs vom 4. November bis zum 8. Dezember 1696 mehrmals Tränen vergossen und daß es von Kaiser und König Leopold nach Wien gebracht worden sei. Dann stellte der apostolische Brief fest, daß die Gottesmutter das Dorf Pócs auserwählte. Das genaue Abbild des Originals habe nämlich am 1., 2. und 5. August 1715 wieder geweint, was die Behörde des Bistums Eger gründlich untersucht und festgestellt habe. Die Wallfahrten der Gläubigen seien dann immer zahlreicher geworden. Nicht nur das magyarische Volk, sondern auch die slawischen Völker, besonders die Ruthenen und ebenfalls die Rumänen, suchten es auf.
Im Jahre 1905 ereignete sich neuerdings ein Tränenvergießen. Diesmals wurde es von der Behörde des griechisch-katholischen Bistums in Munkács – wozu Pócs zu dieser Zeit gehörte – untersucht und als übernatürliche Erscheinung erklärt.
Dann begünstigte der Papst die Vereinbarung der Ostchristen und gewährte deren Vereinigung mit der römischen Kirche. Er schloß seinen Brief folgendermaßen: "Mit unserer apostolischen Autorität, kraft unseres Briefes zieren wir die griechisch-liturgische Kirche in Pócs ewig mit dem Titel und der Würde der Basilica minor."
Der apostolische Brief stellt drei Tränenflüsse des Marienbildes in Pócs fest. Das erste Tränenwunder war an dem Bild, von dem wir bisher berichtet haben, das zweite und dritte – in den Jahren 1715 und 1905 – an der Abbildung in Pócs, welche eine Kopie des Originals ist.
Zufolge des Tränenwunders ist auch dieses Abbild ein originales Gnadenbild geworden.
Von dem zweiten Tränenwunder erschien ein Buch 1751 in ungarischer Sprache. Unsere Angaben wurden dem Buch des Priesters Uriel entnommen, welches auch die Aussagen der Zeugen enthält. Die bischöfliche Untersuchung war schon am 15. August im Gange; sie wurde von Johann Kiß, Großpropst des bischöflichen Kapitels, mit dem gleichnamigen Domherrn durchgeführt.
Nach den Aussagen der Zeugen wurde das Antlitz der Jungfrau so verändert, daß es fast schwarz schien, und das Weiße der Augen war rot geworden. Am 5. August war der Tränenfluß so reichlich, daß das Antlitz, die Brust und die Hände des Bildes mit Tränen ganz bedeckt wurden. Diesmal war ein geweihtes Gefäß unter das Bild gesetzt. Die Zeugen – verschiedenen Glaubens – sahen das Tränenvergießen. Der Bischof von Eger erklärte nach der Untersuchung – am 19. September 1715 – daß das Dorf Pócs ein Gnadenort sei und er bewilligte die öffentliche Verehrung des Bildes.
Zum dritten Mal geschah das Tränenwunder in Pócs am 3., und dann am 6., 19., ferner 30. und 31. Dezember 1905. An diesen Tagen flossen die Tränen langsam, in kristallreinem Glanz; aber das Antlitz des Bildes wurde dunkler, das Weiß der Augen rot.
Besonders am 6. Dezember war diese Erscheinung zu beobachten, als ein Basilianermönch die Glastüre des Bildes öffnete, um das Bild den Gläubigen zum Kuß zu reichen. Ein kleines Polster wurde unter das Bild gesetzt; dieses ist in der Kirche in einem Rahmen eingefaßt. Da fand eine kirchliche und weltliche Untersuchung statt. 59 Zeugen wurden verhört, unter ihnen ein Universitätsprofessor, ein reformierter Apotheker, ein Arzt jüdischen Glaubens, die das Tränenvergießen gesehen hatten. Eine genaue wissenschaftliche Untersuchung wurde
durchgeführt, welche das Wunder bestätigte.
Dr. I. von Méhes (1961)
Aus: "DAS ZEICHEN MARIENS", 24. Jahrgang, Nr. 6-7, November A.D. 1990, Seiten 7550-7553/7556
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